Auf der Pressekonferenz zur Eröffnung seiner Ausstellung im Haus der Photographie der Hamburger Deichtorhallen erklärte Michael Schirner, wie in freier Benutzung des Werks eines anderen ein selbstständiges Werk geschaffen wurde und was er mit seinen Bildern bezwecke:
Wir entfernen 100% von allem, was das ursprüngliche Photo bekannt gemacht hat: den Protagonisten, das zentrale Bildmotiv, Form und Inhalt der Geschichte. Das durch Entfernen des Bildvordergrundes entstandene âLochâ oder die Leerstelle wird in aufwendigen Verfahren durch digitales Neumalen des Hintergrundes gefüllt. So entstehen ein neues Bild und ein selbständiges Werk.
Ziel der Unsichtbarmachung oder des Entfernens vom ursprünglichen Inhalt und der wesentlichen Elemente des Bildes ist es, aus dem journalistischen Photo etwas kategorisch Anderes zu machen: ein Werk der bildenden Kunst, ein Bildkunstwerk, das vergröÃert, gerahmt als Teil einer Serie von Digigraphien im Museum ausgestellt, im Katalog vorgestellt, zum Gegenstand der künstlerischen Betrachtung und Bewertung und zum Objekt der Kunstwelt wird.
Doch die Entfernung des Inhalts aus dem Bild ist für mich nur ein Mittel zum Zweck: Mein Ziel ist, aus journalistischer Photographie digigraphische Malerei, aus Inhalt Form, aus Unsichtbarem Sichtbares zu machen, abstrakte Bilder zu erschaffen, die die Schönheit der Leere, der Absenz, der Stille, der Weite und des Verschwindens zeigen und die formalästhetische Qualitäten sehr guter Bilder haben.
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Die Kunstgeschichtlerin Brigitte Werneburg von der Tageszeitung schreibt im Katalogbuch:
âIn dem Moment, in dem Michael Schirner den spektakulären oder prominenten Gegenstand im Foto ignoriert, rückt er es aus dem Pressekontext heraus â“ und in den Kunst-, mehr noch in den Theoriekontext hinein. Für ihn war ausschlieÃlich das Ergebnis wichtig, also die Frage: Entsteht ein gutes Bild? Oder vielleicht sogar ein âsehr, sehr gutesâ, wie Oehlen es bei vielen seiner Bildern empfand.â
Der Autor des Deutschen Guggenheim Oliver Koerner von Gustorf:
âParadoxerweise erzeugt der fehlende Inhalt fast zeitgleich den genau entgegengesetzten Effekt: Der Blick wird auf die Form gerichtet auf die Details, das Verhältnis von Licht und Schatten, Linie und Fläche, den Bildaufbau, die Komposition â¦Schirner Werke loten die Grenzbereiche zwischen Appropriation-, Medien- und Konzeptkunst ebenso aus wie die Kommunikationsstrukturen, in denen seine Bilder gesehen und wiedergesehen werden.â
Hans Ulrich Reck Professor für Kunstgeschichte an der Kunsthochschule für Medien Köln:
âSchirners Arbeit nimmt für seine verschiebende Arbeit am Bildlichen
unvermeidlicherweise die Position der Kunst ein, da es ihm nicht um die üblichen
Fiktionalitäten der in Szene gesetzten Bildwirkungen geht. Kunst ist, was immer sonst man von ihr glauben mag, stets ein Experimentieren jenseits des Nützlichen, eine
Arbeit mit einem bisher ausgesparten âRestâ charakterisiert sie. Originär und originell, also schöpferisch bedeutsam, ist dem folgend alles, was zu einer aktualen
Wiederentdeckung, einem intensiven Erleben, einer anstoÃenden Verschiebung im Gedächtnis, einem Aufmerken gegenüber einem bisher Automatisierten â“Vergessenen oder Nicht-Wahrgenommenen â“ führt. Dass Bilder erinnert werden über das, was bisher an ihnen nicht gut gesehen worden ist, macht die Bedeutung des Schöpferischen aus. Ein Neues an den Bildern entsteht durch Wiederbegegnung mit einem schon bekannten Bildlichen durch Verlagerung der Aufmerksamkeit von den Inhalten auf die Form.â
Das Haus der Photographie in den Hamburger Deichtorhallen zeigt als einzige deutsche Institution
das künstlerische Werk des deutschen „Werbepapstes“ Michael Schirner.
Präsentiert werden seine großformatigen Arbeiten der Serie BYE BYE, die das Unsichtbare im Sichtbaren darstellt. Schirner beschäftigt sich wie bereits in seiner legendären Serie „Bilder im Kopf“ mit der Kommunikation des Imaginären, gibt ihr aber eine neue und überraschende Deutung.
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