Brigitte Werneburg

Transparent - Opak

„Sehr, sehr gute Bilder“


In dem Moment, in dem Michael Schirner den spektakulären oder prominenten Gegenstand im Foto, auf das er jetzt wieder zurückgreift, ignoriert, rückt er es aus dem Pressekontext heraus – und in den Kunst-, mehr noch in den Theoriekontext hinein. Warum erkennen wir die meisten Aufnahmen überhaupt wieder, obwohl sie doch stark verarmt sind? Welche Rolle spielt dabei die Bildkomposition? Wie sehr ist es das Bild als Konstruktion und nicht die Fotografie als Fenster zu Welt, auf das sich unsere Erinnerung stützt? Erklärt sich so, warum uns die stark reduzierten Fotografien womöglich als „sehr, sehr gute Bilder“ erscheinen, wie Albert Oehlen meint?

Einen Vorschlag, intersubjektive Wahrnehmung und Erinnerung trotz der gleichzeitig unhintergehbar individuellen Perspektive allen Sehens zu verstehen, macht die Philosophin Eva Schürmann in ihrer Untersuchung „Sehen als Praxis“. Visuelles Wahrnehmen ist eine Handlung, so ihre These. Es ist eine performative Praxis, die eine ähnlich epistemisch, ethisch und ästhetisch Welt erschließende Funktion hat wie das Sprechen. Unsere Wahrnehmung wäre dann eine stets bildermachende Wahrnehmung. Sie kann sich nicht in instrumenteller objektiver Erkenntnisleistung erschöpfen, sondern muss von vornherein individuelle Fantasie und persönliches Stilbewusstsein mit einbegreifen; das Gespür für das Opake, für die Form, den Rhythmus und die Farbe; die Aufmerksamkeit für jene Hintergrund- und Detailinformationen, die nach Albert Oehlens ein „sehr, sehr gutes Bild“ ausmachen. Am Ende charakterisieren diese Detailinformationen Michael Schirners Bilder der Serie BYE BYE genauso wie ihr Klang jene Gedichte und Songs auszeichnet, die wir jederzeit erkennen, obwohl wir ihre einzelnen Strophen nicht auswendig dahersagen könnten: Bye bye love, bye bye sweet caress, hello emptiness...

Den vollständigen Beitrag von Brigitte Werneburg lesen Sie im Buch „Michael Schirner I BYE BYE“.