Hans Ulrich Reck

Verschieben, Vergegenwärtigen, Weglassen, Wiederholen:

Zur Strategie der Wirklichkeitsbewältigung
durch Wirklichkeitsbestätigung


Schirners Bilder der Serie BYE BYE nehmen für seine verschiebende Arbeit am Bildlichen unvermeidlicherweise die Position der Kunst ein, da es ihm nicht um die üblichen Fiktionalitäten der in Szene gesetzten Bildwirkungen geht. Kunst ist, was immer sonst man von ihr glauben mag, stets ein Experimentieren jenseits des Nützlichen, eine Arbeit mit einem bisher ausgesparten „Rest“. Das ist hier ganz undramatisch zu verstehen und bedarf keiner Beschwörung der üblichen, schon längst bis zur Unerträglichkeit überdehnten Positionen einer kunstmythologisch verklärten, erfindenden Autorschaft, den üblichen Figuren von Individualität, Ich und Subjekt. Schirners Eingriffe münden analytisch in ein Anti-Individuelles. Sie beziehen sich auf einen allgemeinen Korpus oder Körper der Bilder, ihre kulturelle Encodierung als Form, nicht ihre zugespitzte Dramatisierung in narrativen und singulären Pointen. Es ist gerade das Nicht-Individuelle, das hierin spezifisch wird. „Dichte Allgemeinheit“, also konkrete Universalität, nicht leere Abstraktion charakterisiert sie.

Schirners Transformation der Bildpräsenz in ein visuell Abwesendes zum Zwecke der Verdeutlichung der bisher schlecht gesehenen Form des Bildlichen ist ein Gestus, der unvermeidlich Schöpferisches aus dem Bekannten freisetzt, weil er dieses in seiner kollektiven Wirkung auf kulturell encodierte Gedächtnisarchive bestätigt. Wirklichkeitsbestätigung durch testende Wirklichkeitsverschiebung ergibt ein neues Realitätskonzept.

Es geht bei Schirners Re-Montagen just um die Wahrnehmung eines bisher nicht Gesehenen. Dadurch werden Imagination wie Erinnern, das Vermögen der Vorstellungskraft und die Aktualisierung der latenten Archivbilder und -bildungen geschärft. Die Bewegung des verschiebenden Wiedererlebens ist in der Tat ein Erstes, Neues, schöpferisch Anstoßendes gerade im Modus der verändernden Verschiebung. Nur so ist Wirklichkeitsbewältigung durch Wirklichkeitsbestätigung möglich, weil letztere gar nie explizit vergegenwärtigt werden kann ohne den lebendigen Vollzug und die Explikation einer experimentierenden Wirklichkeitsbewältigung.

Den vollständigen Beitrag von Hans Ulrich Reck lesen Sie im Buch „Michael Schirner I BYE BYE“.